Gesellen gut in Form

Die Tischler präsentierten einer Jury ihre Gesellenstücke. Sie überzeugten mit originellen Ideen

Auf den ersten Blick sieht man einen recht gewöhnlichen Esstisch. Gross ist er, aus massivem Ulmenholz, in der Mitte eine rechteckige schwarze Platte. Wozu die gut ist, offenbart sich dem Betrachter erst auf Knopfdruck. Langsam fährt das Tischinnere nach oben, zum Vorschein kommt ein kleines Regal, in dem Teller und Gläser aufbewahrt werden können. Sogar eine Besteckschublade, die sich zu beiden Seiten öffnen lässt, gehört dazu.

80 Stunden hatte Benjamin Schaff Zeit, um sein Gesellenstück zu fertigen. „Die braucht man auch“, versichert er. Nun gewann der 20-Jährige mit seinem Werk den Wettbewerb „Die gute Form“, der bereits zum 19. Mal von der Mülheimer Tischler-Innung ausgeschrieben wurde. Gestern wurde Benjamin Schaff in der Kundenhalle der Sparkasse am Berliner Platz ausgezeichnet. Bis Freitag ist sein Esstisch dort noch ausgestellt.

Genauso sehenswert sind die Gesellenstücke der neun anderen Wettbewerbsteilnehmer Ruwen Heinemann hat einen Telefontisch gebaut, der – der Größe des Lehrlings angemessen — ziemlich hoch ist. In einer Schublade lässt sich allerlei Kleinkram unterbringen, an der Seite kann man zwei Fächer öffnen — in einem werden Zettel, in dem anderen Telefonbücher aufbewahrt. Stanislav Root hat einen „ganz normalen Unterschrank“ gemacht, wie der bescheidene 22-Jährige sagt. Allein zwei Tage hat er für die Vorbereitung gebraucht, Holz gekauft, zu recht gesägt, ausgehobelt. Nun kann er stolz auf ein einzigartiges Stück blicken: „Mit dem Furnier bekommt man das nirgendwo anders.“ Seine Gesellenprüfung, die übrigens vom Wettbewerb unabhängig ist, hat Stanislaw Root bereits bestanden. Trotzdem kommt noch viel auf ihn zu, er wurde nicht übernommen und muss sich einen neuen Arbeitsplatz suchen.

Einen Hifi-Schrank hat Niels-Helge Leppert entworfen. Die Musikanlage mit den zugehörigen großen Lautsprechern hat er gleich integriert. Gerd-Hermann Mombour, Obermeister der Tischler-Innung, ist beeindruckt von den Ideen der Azubis. „Früher haben die meisten kleine Schränke gemacht", erinnert er sich. Nun sind die Stücke größer — und oftmals auch besonders raffiniert. Eine Drehtür müssen sie enthalten und eine Schublade, ansonsten können die Teilnehmer ihrer Fantasie freien Lauf lassen.

Benjamin Schaff, der im Betrieb seines Vaters arbeitet, kam plötzlich auf die Idee, einen Tisch mit einem Geschirrschrank zu kombinieren. Das funktionierte, indem er einen großen Fuß in den Korpus einsetzte. Seinen Entwurf wollte er sich sogar patentieren lassen. Das klappte aber nicht, im vergangenen Jahr war ihm jemand zuvorgekommen, der einen Grill mit einem ähnlichen Mechanismus entwickelt hatte. Jetzt bleibt nur noch der „Geschmacksmusterschutz“. Was das ist, erklärt der 20-Jährige umgehend. „Das heißt, dass Form und Gestaltung nicht von Dritten wiedergegeben werden dürfen.“ Wo das preisgekrönte, nicht eben kleine Stück einen Platz finden soll, ist klar: in Benjamins Wohnung. Einen kleinen Haken gibt es dann doch an der Sache – die eigene Bude existiert nicht, er wohnt noch bei seinen Eltern. „Kein Problem, in ein paar Monaten ziehe ich aus. Die Wohnung wird dann nach dem Tisch ausgesucht.“

Die Preisträger:
1. [Platz] Benjamin Schaff
2. [Platz] Christopher Graf
3. [Platz] Niels-Helge Leppert
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Außerdem erhielten Ruwen Heinemann und Alexander Klemm Belobigungen.

Authorin: Jenny Busche

Foto: Roy Glisson